Eine Strumpfbandaffäre von Jack
Lydia whatsapped den Dietz schon am Donnerstagmorgen, noch ohne Sorgen, endlich eingeschlafen nach Trennungsweltschmerz, dudelt schon das Smartphone. Hi Jack! Strümpfe ohne Bänder, kleinste Größe, zwei Paar, die billigsten, so um die dreißig Euro. Bitte kaufen, bringen. Wo? Im Erotikshop des nahegelegenen Einkaufszentrums. Was? Wann? Wohin? Schwarze Strümpfe, rasch, mach bald, bring mir die in das Sugardaddy-Haus. Strümpfe sind das um und auf, wenn Lydia die Beine breit macht, damit die Daddys, große, kleine, dicke, dünne, und mittlere, ihr um zweihundert Euro mit Kondom in ihre Muschi spritzen, an einem Tag so viele, dass von den Befriedigten eine befriedigende Summe zusammen kommt, für das Leben mit dem Kind und den Pelzmantel, den Dietz ihr nicht bezahlen kann. Selber kein Daddy, weil dünn, darf Dietz nicht so ohne weiteres in Lydias Muschi spritzen in der Sugardaddy-Woche. Eigentlich gar nicht erlaubt ihm Lydia das in der Woche der ausschließlich schwarzbestrumpften Schenkelöffnung für die Sugardaddy-Gäste, so viel kann er gar nicht hinlegen, dass sie sich hinlegt für ihn und Beine breit macht für ihn in den Sugar-Daddy-Tagen, da ist es, als hätte sie ihre Tage, den Dietz betreffend. Er hat schon für sechshundert Euro unter anderem ihren Honigmund auslecken dürfen. Bei sich zu Hause. Für den Laien: Honigmund ausschlecken heißt: Muschi durch Finger nass werden lassen, dann Honig hinein träufeln, einen Teelöffel, dann mit der Zunge ein bisschen durchmischen und durchziehen mit der Zungenspitze von der Klitoris bis zum Poloch, und aufschlecken eben, alles, aus jeder Ritze. Dietz-Rezept. Davon ist keine Rede jetzt, Donnerstag nicht, Dienstag nicht, die ganze Woche nicht, wenn die Daddys dran sind. Jetzt hat Jack Joes Job. Jack & Joe. Joe war der letzte Boyfriend von Lydia, den sie in die Wüste geschickt hat, weil er nur fürs Vögeln gut war, nicht zuhören konnte. Lydias Name für Jakob: Jack. Jack be nimble, Jack be quick. Aber ein Quickie war Jack nie. Auch das Smartphone bewirkt beim doppelten Doktor Dietz kein smartes Finden. Einkaufszentrum, nahe gelegen? Selbige sind dem Dietz aus früheren Familienzeiten ein Dorn im Auge. Und es haben seine Augen trotz Brillen in einem Einkaufszent-rum, sei es nahe oder sei es auch ferne gelegen, noch nie einen Erotikshop gesichtet.
Lydia erteilt ihrem Jack Nachhilfe per WhatsApp. Selbst jemand wie Dietz, dem der Entzug der Lydia-Muschi während der Sugardaddy-Woche arge Erscheinungen bereitet, vermag zu begreifen: Wenn die süßen Schenkel der Lydia nicht mit der Arbeitsbekleidung bedeckt sind, wenn sie zart und klein, blond-perückt auf High-Heels dem Daddy entgegenstelzt, dann verliert sich der Blick nicht in dem Dreieck, er wird leer, er leitet den Rückzug ein, so gleichgültig es ist, ob beim besiegelnden Spritzen und beim gekrümmten Daliegen danach noch zählt, ob die Schenkel nackt sind oder bestrumpft. Beim Eintreten zählt es, bleibt er, dann zahlt er, oder bleibt er etwa nicht, dann zahlt er nicht, das bedeutet Einnahmeeinbußen. Einmal keine blicke-lenkenden schwarzen Strümpfe, einmal Blick nicht ins strumpf-betonte Delta, sondern zur Tür, Rückzug, das bedeutet Einnahmeneinbußen ‒ oh Jack! ‒ hochgerechnet auf einen Tag, eine Woche, ein Monat, ein Jahr ‒ astronomische Summen. Aber jetzt! Eine schnelle Eingreiftruppe! Jack schwingt sich aufs Rad, durcheilt die Pforten des Konsumtempels, stürmt schon um drei vor neun den Orion-Shop. We-gen katholischer Vorvergangenheit von begreiflicher Eintrittshemmung gebremst, diese mit einem kühnen Hüpfer überwindend, entert der grille Parzer Jack den Pornoladen, steuert die gepiercte Kleine mit den blauen Haaren am Kassapult gezielt an. Viel leichter tut sich der versierte Pädagoge mit so einer Kleinen, als wenn da ein Kerl säße, ein dicker vielleicht noch, den dünnen Dietz abschätzig mustern würde. Das Herz wäre Jack in die Hose gerutscht, dorthin wo sowieso schon zu viel Platz hat. So aber: Schwarze Strümpfe, bitte, bitte, wo, wo? Es wird eine Angelegenheit von weniger als neunundsechzig Sekunden, und schon kann Jack wieder auf seinen Drahtesel springen.
Aber jetzt: schnell, schnell! Im Sugar lungert ja vielleicht schon der erste Daddy, der zweite, der dritte, wartet, bis die Lydia von Gelb auf Grün stellt, ohne Strümpfe kein Delta-Blick, ohne Strümpfe kein Muschi-Spritzen mit Kondom, zweihundert Euro weg, vierhundert Euro weg, sechshundert Euro weg. Nicht auszudenken. Jack Dietz tritt und hechelt. Plötzlich meldet das vegetative Nervensystem aus dem schlottrigen Korpus des Theologen, inspiriert von der ungewohnten Kokain-Zufuhr in seinem irritierten Kreislauf, ein Dilemma. Jacks Not zwingt ihn zu einer kleinen Schleife, mit gepressten Backen: Daheim stoppen. Schnell, schnell, die Stiege hin-auf! Backen zusammenhalten! Auf die rettende Muschel! Ah! Gerettet! Über der Muschel hockend inspiziert der dünne Dünnschiss-Dietz nach dem Scheißen die Ware. Scheiße! Die Strümpfe haben Bänder. Er reißt die Verpackung auf. Befühlt die Bänder mit seinen Wichsgriffeln. Er kriegt einen Ständer. Keine Lydia hilft ihm dabei, seine Notdurft zu steigern. In ahnungsvoller Erregung: Kein Spritzen ohne Strümpfe, keine Strümpfe mit Bändern, versucht er die Bänder von den Strümpfen herunter zu kletzeln. Das geht. Mit den elastischen Plastikbändern drangsaliert er sein aufgeblühtes Dingsda, bandagiert richtig seine spitze Spritze. Lydia, Lydia, heilige Lydia hilf, Beihilfe zum kleinen Tod. Keine Lydia da. Der theologisch und philosophisch voll ausgebildete DDr. Dietz will nicht sterben, noch nicht, noch nicht. Er nimmt die Bänder her, die elastischen, aus Plastik, und wickelt und wickelt, zieht zu, bis es weh tut. Dann langsam loslassen, sich wieder empor steigen lassen mit Fingerhilfe. Er egded sich. Edging ist das, das ist der Fachausdruck, hätte ihm Lydia erklärt, wenn sie dagewesen wäre, so nennen wir in unseren Fachkreisen die Orgasmus-Kontrolle, die du da ein bisschen in einer strengen und strangen Weise an dir ausübst, lieber Jack, hätte sie gesagt. Aber niemand ist da. All alone, Jack. Allein hat Edging keinen Sinn. Dem Dietz auf der Muschel wird es plötzlich schwindlig. Er spürt noch eine unheimlich Kälte sich in seinem Unterleib ausbreiten. Jack fainted.
Er erwacht auf den Klobodenfließen. Er hat versagt. Lydia wird die Strümpfe nicht mehr rechtzeitig bekommen. Sie wird sie nie bekommen. Jack ist ein schlechter Joe. Jakob Dietz, sagt der Richter, Gottvater im Himmel, hat sich schuldig gemacht der unterlassenen Hilfeleistung, und schlimmer noch, des Verbrechens, die verlorene Seele der Lydia Frank nicht gerettet zu haben.