Ewiges Leben

Porträts & Exposés

A Trianon cimű regény

 

Die Haupthandlung des Romans trägt sich 2024 zu. Der Ich-Erzähler Georg ist ein pensionierter tschechischer Sprachwissenschaftler mit Spezialgebiet Areallinguistik. Obzwar dem Charakter nach ein vernünftig denkender Pragmatiker und Empiriker, war er sieben Jahre lang mit der rassigen Ilona verheiratet, einer exzentrischen ungarischen Schauspielerin. Den Großteil seiner akademischen Laufbahn hat er an der Universität in Debrecen mit Lehre in kontrastiver deutscher Grammatik zugebracht. Dort war er mit Karl, einem gleichfalls mit einer Ungarin, der langweiligen Blondinen Erika, verheirateten österreichischen Lektor befreundet. Mit ihm gemeinsam hat er in den 1990-ern am Aufbau einer Deutschlehrer-Ausbildung in der rumänischen Stadt Oradea mitgewirkt, an einer neu gegründeten Hochschule der ungarischen Reformierten Kirche in Rumänien. Nach dem Tod seiner Eltern hat Georg ein Haus in Tschechien in der Stadt Žatec geerbt, er lebt dort zurückgezogen mit zwei Katzen. Der um drei Jahre jüngere Karl ist ebenfalls bereits in den Ruhestand eingetreten, wegen seiner Diabetes wurde er mit 55 als Gymnasiallehrer im steirischen Leoben frühpensioniert. In Oradea hatten Georg und Karl damals einen sehr begabten Studenten aus dem Banat, aus einer schwäbisch-serbisch-jüdisch-ungarischen Familie stammend, namens Thomas. Dieser absolviert die Deutschlehrer-Ausbildung in Oradea, promoviert in Debrecen über ein sprachwissenschaftliches Thema und wandert dann mit seiner ehrgeizigen Frau Gabriella aus einer rumänischen Roma-Familie nach Deutschland aus; er legt eine mustergültige Karriere bei der Polizei in Berlin hin. Wegen eines schwer durchschaubaren Skandals, über dessen dunklen Gründe die Freunde lange im Unklaren bleiben, verliert er seine Stelle, er muss sich als Privatdetektiv verdingen, gerät wegen seiner Familienumstände, der anstrengenden Frau und den beiden fordernden halbwüchsigen Töchtern auch in eine prekäre finanzielle Situation. Die drei ehemaligen Freunde haben sich völlig aus den Augen verloren.


Da erreicht sie im Februar 2024 die überraschende Einladung von Ilona zu einem für den Sommer 2024 anberaumten Fest in Ilonas Villa in dem weltberühmten Weinort Tokaj, welches ihr als Witwe aus der zweiten Ehe mit Mihal, einem slowakischen Millionär, zugekommen ist. Was sich Ilona wünscht, ist die akkurate Wiederholung eines Freundschaftstreffens, das genau 25 Jahre vorher, nämlich am 19. August 1999, in Tokaj stattgefunden hat, am Tag zwischen dem Geburtstag von Kaiser Franz Joseph am 18. August und dem ungarischen Nationalfeiertag zu Ehren des heiligen König Stephan am 20. August. Zu dem Treffen haben Ilona und Georg, als sie noch ein Ehepaar waren, vorher Jahr für Jahr zur selben Zeit einen Kreis von Freunden aus Debrecen in ihr damaliges Wochenendhaus in Tokaj eingeladen. Zu diesen Freunden zählen die (Bühnen-)Architektin Sissy, Ilonas beste Freundin, Péter-Pál Wagner, PPW (Pe-Pe-Dovelju) gerufen, der aufstrebende Literaturhistoriker, mit seiner Frau Margit, einer Psychotherapeutin; Ilonas zweitbeste Freundin, die Dramaturgin Borbála, liiert Gyula, dem ehemaligen Enthüllungsjournalisten und nachherigem FIDESZ-Vizebürgermeister in Debrecen; und Karl mit seiner Frau; schließlich bald auch der vorerst noch ledige Thomas. Die Treffen hatten stets einen eher ausgelassenen Charakter: Nach den obligaten Bootsfahrten und der Bergbesteigung aß, trank und scherzte man miteinander; mag sein, dass Grenzen erreicht, aber nicht überschritten wurden, wenn sich die Frauen aus der Theaterwelt produzierten und die weingeschwängerten politischen Debatten der Männer allzu sehr aufkochten. Allein das letzte Treffen dieser Art 1999 war aus dem Ruder geraten. Thomas hatte seine Verlobte aus dem Banater Roma-Milieu mitgebracht, der „Weibsteufel“ (Karls Diktion) stellte den Verlauf des Treffens auf den Kopf, den Abschlussabend versaute ein heftiger Streit über den damals noch jugendfrischen neuen Ministerpräsidenten Orbán, von Thomas vom Zaun gebrochen, und ärger noch: die stockbetrunkene Gabriella rührte taktlos an einer verschwiegenen Geschichte. 


1994 war just der behäbige, in jeder Beziehung ganz und gar harmlose, ein bisschen weltfremde Karl in Verdacht geraten, den spektakulären Sturz einer bildhübschen siebenbürgischen Studentin kopfüber aus der Österreich-Bibliothek im zweiten Stock des prächtigen Jugendstil-Innenhofs im Hauptgebäude der Lajos-Kossuth-Universität zu Debrecen mit verursacht, indirekt oder direkt verschuldet oder sogar konkret bewirkt zu haben, weswegen er nach polizeilichen Vermittlungen als Hauptverdächtiger geltend vorübergehend sogar in Untersuchungshaft gesetzt wurde, bis Interventionen des Netzwerkes von Gyula ihn doch aus dem Gefängnis und von der Anklage befreiten; die Vermittlungen verliefen im Sand; der Fall wurde nie aufgeklärt. War der spektakuläre Sturz der schönen Enikő auf das Steinmosaik am Grund des Innenhofes Folge eines dummen Unfalls, eines morbiden Suizidwunsches oder eines gezielten Todesstoßes?


Mit dieser Vorgeschichte der 1990-er Jahre, die in Rückblenden Georgs sukzessive mitgeteilt wird, durchmischt mit der Gegenwartshandlung des Jahres 2024, setzt die Erzählung ein. Sie besteht zur Gänze aus Texten auf Georgs Computer, Emails, SMS, WhatsApp-Nachrichten, diversen Chats und fragmentarischen Traktaten zur Geschichte und Politik der Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Habsburgermonarchie, durchsetzt mit wenigen Bemerkungen zur eigenen Lebensgeschichte und einigen tagebuchartigen Erinnerungen. Georg erhält am Valentinstag 2024, nachdem jahrelang kaum Kontakt bestanden hatte, von seiner Ex-Frau überraschend und mit erpresserischem Unterton die Nachricht mit der unverblümten Aufforderung Ilonas, mit ihr gemeinsam die Wiederholung des Festes in Tokaj zu organisieren, er bekommt von ihr den Auftrag, die Gäste von damals zu kontaktieren. Der Steirer Karl ist leicht aufzutreiben, mit ihm setzt sich Georg gerne ins Einvernehmen, sie rätseln über die Hintergründe von Ilonas Absichten. Merkwürdigerweise ist Thomas über diese bereits im Bilde gewesen, er hat sich vor Georg bei Karl gemeldet, um ihn zu warnen. Trotz allen Unbehagens beschließen die drei, nach Tokaj zu fahren, und zwar gemeinsam: Thomas will mit seinem Auto von Berlin aus kommend erst Georg in Žatec und dann Karl in Leoben abholen, sie planen die Reise ohne ihre Frauen. Doch diese lassen sich nicht abschütteln. Gabriella, deren Ehe mit Thomas sich längst in einer stationären Krise befindet, Psychologin von Beruf, aber selbst Borderlinerin, kündigt Thomas an, sie werde auf eigene Faust nachzureisen. Erika hingegen kann Karli, auch Bubi genannt, einfach keinen Tag aus den Augen lassen, die drei Männer müssen sie mitnehmen.
So langen sie in Tokaj an. 


In Ilonas Villa am Weinberg, ein skurriler neo-sezessionistischer Bau, nimmt sie Ilonas ulkiger Butler Antál in Empfang, Ilona selbst begegnen sie erst, als die übrigen Gäste eingetroffen sind, an denen die Zeit auch nicht spurlos vorübergegangen ist.  Allein Sissy scheint einigermaßen die Alte geblieben zu sein, bloß ein wenig exaltierter wirkt die mittlerweile 80-jährige Dame; PPW ist seine famose, aber mittlerweile gescheiterte Karriere im Think-Tank Viktor Orbáns zu Kopf gestiegen, er irritiert alle mit seinem rassistisch-verschwörungstheoretischen Größenwahn, den Tod seiner Frau Margit hat er nicht verkraftet; Borbála wurde am Kehlkopf operiert, sie kann kaum mehr sprechen, doch ihr Verstand funktioniert messerscharf; ihr Mann Gyula leidet unter mittelschwerer Demenz, nur sporadisch flackern peinliche Erinnerungen in ihm auf. Nachdem auch Gabriella – überraschenderweise mit ihren beiden Töchtern – eingetroffen ist und sich auch Ilonas Sohn Björn, von dem niemand etwas gewusst hat, sich den Gästen gezeigt hat, beginnt die Wiederholung des Festes; Borbála und Sissy führen Regie. Während den Frauen eine mehr oder weniger passive Rolle zugedacht ist, werden die Männer dazu verhalten, in einer Art Rollenspiel über mehrere Abende Szenen nachzuspielen, deren Themen Inhalt der damaligen Gespräche zwischen ihnen waren, gefilmt von Björn. Es beginnt mit Situationen aus der Geschichte und Politik des alten Ungarn, dazu kommen auch persönliche und private Angelegenheiten der Gäste, schließlich läuft alles auf den einstigen Unfall/Mordfall hin. Die Männer sehen sich gezwungen, in ihrem Spiel alle Optionen für die Vorgeschichte des Todes von Enikő auszuloten, einschließlich ihrer eigenen möglichen Beteiligung oder gar Verantwortung. Als sich herausstellt, dass auch Thomas verwickelt zu sein scheint, erleidet Gabriella einen alles sprengenden Borderline-Anfall. Das Fest endet als wüste Orgie, am Morgen des dritten Tages liegen die Beteiligten samt und sonders berauscht und miteinander verknäuelt am Boden der Terrasse von Ilonas Villa.


Der Schauplatz für den Showdown des Romans ist Oradea. Auf Geheiß Ilonas hat Sasa Smid, der sich schon dazumal als volkskulturkundiger Tourguide bewährt hat, alle Drogen- und Alkoholleichen in seinen Kleinbus bugstiert und über die Grenze nach Rumänien verfrachtet. Ernüchtert erleben Ilonas Gäste die kompetente Stadtführung von Sasa durch die wunderschöne Jugendstil-Metropole mit einem Empfang beim reformierten Bischof als Höhepunkt. Dieser hält im Festsaal der Reformierten Universität eine uferlose Rede, aus der Georg aus seinen Aufzeichnungen bloß Bruchstücke rekonstruieren können wird. Am Schluss weist der Bischof jedem einzelnen der Gäste eine besondere Aufgabe bei der Wiedererrichtung von Pártium zu, dem Reich der Mitte und künftigem Kernland der EU. Als die Reihe an Thomas kommt, zerbricht Gabriella die salbungsvolle Utopie, klagt ihren Mann des Mordes an und fordert den Bischof auf, Gericht über ihn und all die anderen Frauenmörder zu halten. Für Georg ist dies jetzt wirklich zu viel, er verliert in diesem Moment das Bewusstsein. Als er erwacht, findet er sich in einer Klinik in Prag wieder, wohin ihn sein Sohn Maurus, ein Psychiater, verbracht hat.